„Das WIR ist immer stärker als das Ich“, das bekannte Zitat von Marie Juchacz stellte Nicole Schley, wiedergewählte Präsidentin des AWO-Bezirksverbands Oberbayern, an den Anfang ihres mündlichen Berichts bei der Bezirkskonferenz 2025 am 5. Juli in Holzkirchen. Im Mittelpunkt ihres Berichts standen die Menschen und Aktionen der AWO vor Ort in den verschiedenen Gliederungen in ganz Oberbayern.
„Alle an einem Strang ziehen“
Schley berichtete sowohl von den Demonstrationen für Frieden und für die Demokratie in den vergangenen vier Jahren als auch von den kunterbunten Spendenaktionen für die Ukraine, sei es (beispielhaft) im AWO-Kindergarten in Penzberg oder im AWO-Kreisverband Landsberg am Lech.
Zudem erzählte Schley von den vielen gemeinsamen Gesprächen mit Vertreter*innen von AWO-Ortsvereinen und -Kreisverbänden in ganz Oberbayern, oder auch mit Bewohner*innen und Klient*innen von AWO-Einrichtungen. Gleichzeitig war und ist sie – auch in ihrer Rolle als Co-Vorsitzendes des Landesverbands – im Gespräch mit Vertreter*innen aus Politik und von Vereinen sowie mit Partner*innen aus der Wohlfahrtspflege. Ihre Quintessenz: „Wir müssen alle an einem Strang ziehen, um so für die Menschen, die unsere Hilfe brauchen, das beste Ergebnis zu erzielen.“
Auch die zahlreichen Festivitäten, in deren Rahmen Schley wertvolle Einblicke in die AWO vor Ort erhielt, ließ sie beispielhaft Revue passieren: 75 Jahre Ortsverein Trostberg, 50 Jahre Ortsverein Emmerting, 50 Jahre Ortsverein Karlsfeld, 35 Jahre AWO-Ortsverein Röhrmoos sowie 20 Jahre AWO-Seniorenzentrum Aying.
Eine zentrale Herausforderung für beinahe alle Gliederungen: das drängende Problem des Mitgliedernachwuchses. So berichtete Schley es auch von einem Treffen im AWO-Kreisverband München-Land. Was also tun, wenn junge Menschen mit „der Vokabel Ehrenamt“ nicht mehr viel anfangen können? Dann gelte es, den Begriff zu erklären, Mitarbeit anzubieten und Interessierte zu begeistern!
Das funktioniert auch immer wieder gut, wie die Beispiele aus dem Landkreis Pfaffenhofen zeigen. Hier betreibt der Kreisverband ein Sozialkaufhaus und eine Stadtküche mit günstigem Mittagessen. Im Sommer 2025 findet zum vierten Mal das Pfahofa statt, ein Festival für alle mit vielfältigem Musikprogramm sowie Essens- und Infoständen. Weitere erfolgreiche Projekte sind die Gebrauchtwarenkaufhäuser Klawotten in den Landkreisen München und Traunstein, beispielsweise in Unterschleißheim, Ottobrunn, Trostberg oder Unterhaching.
Zudem stellte Schley ihr eigenes aktuelles Herzensprojekt vor: Zeit für Seniorinnen. Hierfür werden ehrenamtlich engagierte Frauen sucht, die alleinstehende Seniorinnen unterstützen – in einem ersten Schritt im Raum München. Die Idee dazu sei über eine Freundin entstanden, berichtete sie, die eine ältere Dame beim Flaschen sammeln ansprach und ihr letztendlich dabei half, mehr staatliche Unterstützung zu erhalten. Denn bis dato bekam die ältere Dame lediglich 700 Euro Rente, die komplett für die Miete draufgingen.
Bevor sie sich bei allen Ehrenamtlichen der AWO in ganz Oberbayern bedankte, machte Schley noch einmal deutlich, dass „alle Projekte und Angebote der AWO wichtiger sind denn je. Sie wirken Einsamkeit, Verarmung, Ungleichheit und Entfremdung in der Gesellschaft entgegen. Sie sind ein wertvoller Beitrag zur Demokratie.“ Schley schloss ihren Bericht wieder mit einem Zitat von Marie Juchacz: „Je mehr gute Taten wir zusammenbringen, desto besser wird die Welt.“
Stetige Veränderung als einzige Konstante
Der Bericht der Vorstandsvorsitzenden des AWO-Bezirksverbands Oberbayern, Cornelia Emili, nahm das operative Geschäft des Bezirksverbands in den Fokus. Einzige Konstante sei im Berichtszeitraum die stetige Veränderung gewesen, die es zu gestalten galt. So wurde beispielsweise ein neues Managementsystem eingeführt, weg von DIN-Normen und externen (Re-)Zertifizierungen, hin zu einem System, das unter anderem auf den AWO-Werten basiert und AWO-intern mit einem Cross-Auditierungs-System bewertet wird.
Außerdem wurde im Berichtszeitraum die Organisationsstruktur des Verbands angepasst und der Bereich Personal und Recht aufgeteilt in einen Bereich Personal und eine Stabsstelle Recht. Für den Auftritt des Bezirksverbands als Arbeitgeberin wurde eine neue Strategie in den Sozialen Medien aufgesetzt und ein neues Design für Werbemittel eingeführt. In Arbeitsgruppen entstanden eine neue Unternehmenspolitik und ein neues Kommunikationsleitbild.
Die Altenhilfe ist der größte Leistungsbereich des Bezirksverbands. Hier berichtete Emili, dass die Prüfungen der Fachaufsicht, den FQAs, vor Ort zunehmend intensiv seien und sich die Frage aufdränge, welches konstruktive Ziel dahinterstehe, oder welche Gründe es dafür geben könnte, Einrichtungen mehrere Tage lang zu prüfen.
Zudem müssen und mussten aufgrund neuer gesetzlicher Anforderungen immer wieder Häuser neu gebaut werden, was mit vielschichtigen Aufgaben, von der Grundstückssuche über die Projektplanung bis hin zur Baurealisierung, verbunden sei. Fertig gestellt wurde 2020 das AWO-Zentrum Freilassing und 2025 das AWO-Seniorenzentrum Kirchseeon. In der Planung sind Neubauten in Peiting, Wolfratshausen und in der Region Markt Schwaben.
Im Leistungsbereich der Kindertageseinrichtungen ist der Bezirksverband mit aktuell 58 Einrichtungen in ganz Oberbayern vertreten. In diesem Bereich wurde unter anderem das Rahmenschutzkonzept überarbeitet auf Basis des Leitsatzes „Starke Kinder sind geschützte Kinder“, wobei der Begriff „stark“ sowohl das Selbstbewusstsein der Kinder in den Fokus nimmt als auch ihr Wissen um ihre Rechte. Zu den Präventionsmaßnahmen zählen unter anderem ein Verhaltenskodex für Mitarbeiter*innen, das Beschwerdemanagement des Verbands sowie die Sexualerziehung in den Kindertageseinrichtungen.
Zudem sind zehn AWO-Einrichtungen – gemeinsam mit der TU München – 2024 in die zweite Phase des Projekts PAKTan gestartet, in dessen Rahmen Bewegung in den Kita-Alltag integriert werden soll.
Aus dem Bereich der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe berichtete Emili über den Ausbau der Jugendsozialarbeit an Schulen (JAS), einem niedrigschwelligen Angebot für junge Menschen direkt an ihrer Grund-, Mittel-, Real-, Berufs- oder Förderschule. Dabei wurden unter anderem die JAS-Angebote des Kreisverbands Fürstenfeldbruck übernommen, sodass aktuell 60 sozialpädagogische Fachkräfte an insgesamt 47 Schulen in ganz Oberbayern für den Bezirksverband tätig sind. Neben den alltäglichen Aufgaben gibt es zudem Kooperationen zu aktuellen Themen, zum Beispiel zur seelischen Gesundheit sowie ergänzende Angebote, zum Beispiel zur Berufsorientierung sowie zur Mobbing- und Suchtprävention.
Zudem hat der Bezirksverband Anfang des Jahres 2024 das ANAD-Versorgungszentrum Essstörungen übernommen, ein Angebot für die Beratung, Begleitung und Unterstützung von Menschen mit Essstörungen wie Magersucht, Bulimie oder Binge-Eating. ANAD hat ein stationäres Wohnangebot an zwei Standorten in München und betreibt den ANAD-Dialog, eine kostenfreie und anonyme Online-Beratung.
Im Leistungsbereich der Sozialpsychiatrie ist der Bezirksverband seit Mai 2021 Träger einer Beschützenden Sozialtherapeutischen Einrichtung, dem Marienheim in Peiting. Hier werden Menschen mit Selbstgefährdung langfristig stationär begleitet. 2023 wurde das neue Gebäude der Einrichtung eröffnet, das nicht nur erstmalig in Oberbayern die neuen Richtlinien für Beschützende Einrichtungen umsetzt, sondern sich auch positiv direkt auf das Befinden der Bewohner*innen auswirkt. Der Neubau hat 66 Plätze in sieben Wohngruppen, einen Therapeutischen Arbeits- und Beschäftigungsbereich sowie eine eigene Küche.
Große Herausforderungen sieht Cornelia Emili in den kommenden Jahren in zwei Bereichen auf den Bezirksverband zukommen. Zum einen im Bereich Arbeits- und Fachkräfte, deren Mangel zu Engpässen und damit zum Beispiel zu eingeschränkten Kita-Öffnungszeiten und nicht zu besetzenden Plätzen in der Altenhilfe führt.
Mit dieser Problematik verbunden ist ein Mehr an Zeitarbeitskräften in den Einrichtungen, was sich unter anderem auf die Kontinuität und Qualität der Betreuung auswirken kann. Und schließlich bindet die höhere Personalfluktuation auch Ressourcen, um die häufigeren On- und Offboardingprozesse zu gestalten. Beim Werben um die besten Kräfte am Markt muss der Verband künftig auch weiterhin in die neuen Anforderungen investieren, beispielsweise, was die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben angeht.
Der zweite herausfordernde Bereich in den kommenden Jahren ist die Finanzierung der sozialen Dienstleistungen – und das in mehrfacher Hinsicht. Die Pflegesatzverhandlungen werden immer komplexer. Die Kostenträger verlangten immer detailliertere Unterlagen, berücksichtigten Risiken und Wagnisse jedoch nicht in den Sätzen, so Emili. Das führe dazu, dass der Bezirksverband als Träger immer häufiger Kosten vorfinanzieren müsse. Gleichzeitig blieben Rückforderungen, vor allem bei Privatpersonen, jedoch immer wieder erfolglos, sodass hohe Forderungsausfälle entstünden.
Vor allem im Bereich der Sozialpsychiatrie sowie in der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe kürzt der Kostenträger weiter freiwillige Leistungen und im Bereich der Kindertageseinrichtungen werden Investitionen – mit Verweis auf die kommunale Haushaltslage – aufgeschoben bzw. offene Forderungen des Bezirksverbands erst nach wiederholten Mahnungen beglichen.
Emilis Fazit: „Die Finanzierung sozialer Einrichtungen braucht ein neues Denken – finanzielle Engpässe im öffentlichen Haushalt dürfen nicht zulasten der Träger ausgetragen werden.“
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